Episode 08 - Wo sind die Pokébälle?

Nachdem sie das Pokémon-Center verlassen hatten, führte Ran Nia und Finn durch die verwinkelten Gassen von Romantia City. Die Stadt strahlte in der Morgensonne, und der Duft von frischem Brot und Kaffee hing in der Luft. Die farbenfrohen Gebäude und charmanten Straßen erweckten den Eindruck, als befänden sie sich in einer Märchenwelt, doch für Nia und Finn gab es keine Zeit, die Stadt zu bewundern. Sie hatten eine Mission: Die gestohlenen Pokébälle mussten gefunden werden, und das bedeutete, dass Team Rocket irgendwo in der Nähe war.

Finn, der normalerweise bei solch einer Aufgabe ganz vorne dabei war, wirkte heute allerdings etwas abgelenkt. Während sie durch die Stadt eilten, ließ er seinen Blick immer wieder zu Nia wandern. Ihre Entschlossenheit und Konzentration beeindruckten ihn. Jedes Mal, wenn sie sprach oder eine neue Idee hatte, klopfte sein Herz ein wenig schneller. Doch was sollte er damit anfangen? Finn hatte schon oft bemerkt, dass er sich in ihrer Gegenwart anders fühlte – aber das jetzt, während einer Mission? Er versuchte, sich zusammenzureißen.

„Finn, bist du bei der Sache?“ Ran schaute ihn skeptisch an und warf ihm einen scharfen Blick zu. Sie hatte natürlich bemerkt, dass er in letzter Zeit oft abgelenkt war.

Finn blinzelte, riss sich aus seinen Gedanken und nickte hastig. „Ja, klar... Ich... ähm... bin nur ein bisschen müde.“ Ein billiger Vorwand, aber was hätte er sonst sagen sollen?

Nia drehte sich um, blieb stehen und sah ihn neugierig an. „Müde? Dabei haben wir doch gerade erst angefangen.“ Sie lächelte leicht, als ob sie seine Ausrede durchschaut hätte. „Oder denkst du an etwas anderes?“

Finns Herz schlug schneller. Sie schien zu ahnen, dass da mehr war, doch er konnte unmöglich zugeben, was ihm wirklich durch den Kopf ging. „Nein, nein, alles gut,“ murmelte er schnell und ging an ihr vorbei, um das Thema zu wechseln. Er spürte Nias Blick in seinem Rücken, doch glücklicherweise sagte sie nichts weiter.


Ran führte sie zu einem abgelegenen Teil der Stadt, wo eine alte Lagerhalle stand. Die Fenster waren verdunkelt, und das Gebäude wirkte, als wäre es schon lange nicht mehr in Gebrauch. Der perfekte Ort für zwielichtige Machenschaften.

„Hier sind wir,“ sagte Ran und blieb vor der Tür stehen. „Ich habe die Diebe bis hierher verfolgt. Es gibt keinen Zweifel, dass sie die Pokébälle hier versteckt haben.“

Nia nickte entschlossen. „Dann sollten wir reingehen und uns die Pokébälle zurückholen.“ Sie griff nach einem ihrer Pokébälle und hielt ihn bereit.

Finn, der immer noch etwas nervös war, tat es ihr gleich und rief sein Pikachu. Gemeinsam traten sie vorsichtig in die dunkle Halle ein.

Die Lagerhalle war groß und leer. Das Licht, das durch die Ritzen in den Brettern der Wände fiel, schuf ein schauriges Muster auf dem Boden. Es war still, zu still. Finn konnte spüren, wie sein Herz schneller schlug, aber nicht nur wegen der drohenden Gefahr – es war auch die Nähe zu Nia, die seine Gedanken durcheinanderbrachte.

„Sie müssen hier irgendwo sein,“ flüsterte Ran, die ihre Augen durch den Raum wandern ließ, während ihr Fynx sich vorsichtig vorwärts bewegte.

Plötzlich ertönte ein lautes Lachen von oben. „Na, wen haben wir denn hier?“ Jessie von Team Rocket stand auf einem hölzernen Balkon über ihnen, flankiert von James und Mauzi. Finn stöhnte leise.

Nia verschränkte die Arme und sah die drei Schurken herausfordernd an. „Gebt uns die Pokébälle zurück!“ forderte sie.

Jessie grinste höhnisch. „Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass wir euch die Pokébälle einfach so überlassen, oder?“ Sie schnippte mit den Fingern, und aus dem Boden schoss ein mechanischer Arm, der sich um Nia und Finn wickelte und sie in die Luft hob, bevor er sie in ein Netz fallen ließ.

„Was zum...?“ rief Finn überrascht, als er stolperte und dabei auf Nia landete. Seine Wangen wurden augenblicklich rot. Er lag direkt auf ihr, ihre Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt. Für einen Moment vergaß er, wo er war.

Nia, die sich ebenfalls erschrocken hatte, sah ihn mit großen Augen an. Ihre Lippen formten ein leises Lächeln. „Finn?“, flüsterte sie, ihre Stimme kaum hörbar.

Finn wollte sich aufrichten, doch das Netz hielt ihn zurück. „Tut mir leid, Nia! Ich wollte dich nicht...“ Er kämpfte, um seine Worte zu finden, während sein Gesicht immer roter wurde. „Dieses blöde Netz...“

Ran, die die Szene beobachtete, verdrehte die Augen. „Ist das hier wirklich der richtige Moment für Romantik?“, fragte sie trocken, während sie sich selbst aus dem Netz zu winden versuchte.

Jessie und James lachten von ihrem Balkon aus. „Was für ein süßes Paar!“ spottete Jessie. „Aber leider müsst ihr jetzt auf euren romantischen Ausflug verzichten. Wir nehmen die Pokébälle und Pikachu mit!“

Finn knurrte verärgert, versuchte sich aus dem Netz zu befreien, aber es war zu eng. „Das werden wir sehen!“ rief er entschlossen, doch er konnte sich keinen Zentimeter bewegen.


Plötzlich hörte man ein Flügelschlagen. Skorgla, Nias treues Pokémon, schlüpfte durch eines der Fenster und flog mit einem gezielten Giftschock auf Jessie und James los. Die beiden taumelten überrascht zurück.

Nia nutzte den Moment, um sich aus dem Netz zu befreien. „Danke, Skorgla!“ rief sie, während sie Finn half, ebenfalls aus dem Netz zu entkommen.

Finn stand auf und rieb sich den Nacken, während er Nia dankbar anblickte. „Ich schulde dir was...“ murmelte er und schenkte ihr ein verlegenes Lächeln.

Nia zwinkerte ihm zu. „Schon gut. Wir sind doch ein Team, oder?“

Ran, die nun ebenfalls frei war, trat neben sie und legte eine Hand auf ihre Hüfte. „Lasst uns das jetzt beenden.“ Gemeinsam stellten sich die drei Trainer Team Rocket entgegen, bereit für den letzten Kampf.


Jessie und James riefen ihre Pokémon. „Los, Woingenau!“ rief Jessie, während James sein Tuska rief. Die beiden Pokémon stellten sich kampfbereit auf.

Der Kampf begann sofort. Nia ließ Skorgla einen Giftschock einsetzen, doch Woingenau setzte Spiegelcape ein und reflektierte die Attacke. Ran schickte ihr Fynx in den Kampf, das einen Flammenwurf auf Tuska abfeuerte, aber Tuska wich geschickt aus.

Finn, der sein Pikachu bereit hielt, rief laut: „Pikachu, Donnerblitz!“ Pikachu sprang in die Luft und entfachte einen mächtigen Blitz, der den Raum erleuchtete und Woingenau direkt traf.

Für einen Moment schien es, als hätte Team Rocket die Oberhand, doch dann bebte der Boden plötzlich. Ein Erdbeben erschütterte die alte Lagerhalle, und die hölzerne Struktur ächzte unter dem Druck.

Ran sah sich alarmiert um. „Was ist das?“ rief sie, als plötzlich Teile der Decke nachgaben und Trümmer auf Team Rocket herabregneten. Jessie, James und Mauzi schrien auf, als sie von den fallenden Trümmern begraben wurden.

Nia, Finn und Ran hatten sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Als der Staub sich legte, blickten sie auf das Chaos, das das Erdbeben hinterlassen hatte. Team Rocket lag unter einem Haufen Trümmer, ihre Pokémon völlig außer Gefecht.

„Das war knapp,“ murmelte Finn und atmete erleichtert auf.

Nia nickte und trat näher an ihn heran. „Danke, dass du mich aus dem Netz befreit hast.“ Sie lächelte leicht und legte eine Hand auf seinen Arm.

Finn lachte nervös und fuhr sich durch die Haare. „Du hast mir zuerst geholfen, also... ich schätze, ich schulde dir immer noch was.“ Sie standen einen Moment lang da, und Finn spürte, wie sein Herz schneller schlug. Doch bevor er etwas weiter sagen konnte, kam Ran dazwischen.

„Okay, genug Romantik für heute. Wir haben noch eine Menge Pokébälle zu retten.“ Sie deutete auf eine Ecke der Halle, wo mehrere Kisten voller Pokébälle aufgestapelt waren.

Nia nickte und trat von Finn zurück, bevor sie sich auf die Kisten konzentrierte. „Ran hat recht. Lass uns die Pokébälle zurückbringen.“ Sie griff nach einer der Kisten und hob sie hoch.

Finn folgte ihrem Beispiel, und gemeinsam brachten sie die Kisten zurück zur Pokéball-Fabrik. Als sie dort ankamen, wurden sie von den Arbeitern freudig empfangen, die erleichtert aufatmeten, als sie die gestohlenen Bälle zurückbekamen.

Nachdem sie sich bedankt hatten, machten sich die drei Freunde auf den Weg zurück in die Stadt. Die Sonne begann bereits unterzugehen, und Romantia City war in ein warmes, goldenes Licht getaucht. Es war, als würde die Stadt nach den Abenteuern des Tages endlich zur Ruhe kommen.

Finn ging neben Nia her, und obwohl sie erschöpft waren, war da etwas in der Luft – eine Spannung, die er nicht ganz benennen konnte. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie so viel zusammen durchgestanden hatten, oder vielleicht war es einfach nur der Moment, in dem alles still wurde und es nur sie beide zu geben schien.

Ran, die einige Schritte vor ihnen ging, warf immer wieder einen Blick über die Schulter, um sicherzustellen, dass die beiden ihr folgten. Doch dann entschied sie sich, ihnen ein wenig Raum zu geben, indem sie ihre Schritte etwas beschleunigte.

Nia bemerkte, dass sie nun allein mit Finn ging, und ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Sie blickte zu ihm hinüber und sah, dass er sie aus den Augenwinkeln ansah. „Was ist los?“ fragte sie sanft.

Finn zögerte einen Moment, dann seufzte er leise. „Ich wollte nur sagen... du warst heute großartig. Ohne dich hätten wir das nie geschafft.“ Es war ehrlich gemeint, und Nia wusste das.

Sie errötete leicht und sah kurz auf den Boden. „Danke, Finn... aber du warst auch nicht schlecht.“ Sie grinste ihn an und stieß ihm spielerisch in die Seite.

Finn lachte und schüttelte den Kopf. „Also gut, wir waren ein gutes Team.“ Sie gingen schweigend weiter, doch es war ein angenehmes Schweigen – eines, das mehr sagte als Worte.


Als sie schließlich das Pokémon-Center erreichten, war es bereits dunkel. Die Sterne funkelten am Himmel, und die Lichter der Stadt spiegelten sich im Fluss, der durch Romantia City floss.

Ran trat vor die beiden und sah sie mit verschränkten Armen an. „Also, was machen wir morgen? Wollen wir uns weiter Richtung nächste Arena aufmachen?“ fragte sie, obwohl sie die Antwort schon zu wissen schien.

Nia und Finn tauschten einen kurzen Blick. „Ja,“ sagte Nia schließlich und nickte. „Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“ Finn nickte ebenfalls und fügte hinzu: „Und wer weiß, welche Abenteuer uns noch erwarten.“

Mit einem letzten Lächeln gingen sie gemeinsam ins Pokémon-Center, bereit für die nächste Etappe ihrer Reise. Doch während sie die Nacht überdauerten, blieb eine unausgesprochene Spannung in der Luft – eine, die mit jedem Tag wuchs und vielleicht eines Tages mehr bedeuten könnte.