Episode 02 - Nur fliegen ist schöner!

Nachdem die drei den merkwürdigen Wald hinter sich gelassen hatten, atmeten sie kurz erleichtert auf. Doch das Gefühl der Erleichterung währte nicht lange, denn ein neuer Weg lag vor ihnen – steil und gefährlich. Der Berg, den sie nun hinabsteigen mussten, bot keinen einfachen Pfad, sondern eine steinige Abwärtsroute, die Vorsicht und Geschicklichkeit erforderte. Sie standen am Rand einer Felsformation, von der aus der Weg hinab in die Talebene führte, in der die Stadt Frescora lag.

Nia, die sich entschlossen hatte, den Vortritt zu nehmen, war die Erste, die den Abstieg wagte. Sie tastete sich vorsichtig voran, suchte sicheren Halt für ihre Füße und hielt sich an den Felsvorsprüngen fest. Finn und Mishu folgten ihr in einigem Abstand. Die Kälte des Windes, der aus den Bergen herunterwehte, ließ die Luft bei jedem Atemzug sichtbar werden.


"Seid vorsichtig," rief Nia über die Schulter hinweg, während sie einen festen Halt an einem Felsvorsprung suchte. "Hier geht es ziemlich steil hinab."

Mishu, der hinter Finn kletterte, konnte nicht anders, als einen spöttischen Kommentar loszuwerden. "Hey Finn, warum lässt du eigentlich deine Freundin vorgehen?", fragte er mit einem belustigten Unterton.

Finn seufzte innerlich, während er mit den Augen rollte. "Weil sie es so wollte," antwortete er und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen.

"Machst du dir keine Sorgen, dass sie abstürzt?", bohrte Mishu weiter nach, während er nervös den lockeren Boden unter seinen Füßen bemerkte.

Finn hielt kurz inne, um seinen Stand zu sichern, und warf Mishu einen entschlossenen Blick zu. "Natürlich," sagte er ruhig, "aber ich vertraue ihr."

Ein kurzes Lächeln huschte über Nias Gesicht, als sie den letzten Kommentar hörte. "Leute? Ich kann euch hören," warf sie trocken ein und machte eine abschätzende Bewegung, um einen festen Halt zu finden.

Mishu wurde daraufhin still und konzentrierte sich wieder auf den Abstieg. Doch es dauerte nicht lange, bis Nia erneut sprach. "Wenn ich hinter euch fallen würde," fügte sie mit einer leichten Spur von Humor hinzu, "würden wir wohl alle fallen."

Finn warf einen schnellen Blick auf den steinigen Abhang, um sicherzugehen, dass sie den Gefahren bewusst waren. "Redet nicht so viel über das Fallen," warnte er, bevor er Nia erneut ins Auge fasste. "Nia, pass auf, unter dir ist ein Loch."

"Oh... danke!" Nia bewegte sich geschickt und umging das gefährliche Loch im Boden. Sie gingen noch eine Weile weiter, wobei jeder Schritt Konzentration und Geduld erforderte. Schließlich erreichten sie das Ende des steilen Pfades und standen sicher im Tal. Das Gefühl der Erleichterung war bei allen deutlich zu spüren, doch es währte nicht lange.


"Also, jetzt kann ich Frescora aber nicht mehr sehen...", bemerkte Mishu, während er sich suchend umsah. Die Stadt, die sie vorhin noch aus der Ferne gesehen hatten, war nun von Bäumen verdeckt.

Nia schaute sich ebenfalls um, als das Bewusstsein langsam zu ihr durchdrang, dass sie sich in einem weiteren Wald befanden. "Sind wir nun schon wieder in einem Wald?", fragte sie, ihre Stimme klang leicht genervt.

Finn, der die Landschaft genau betrachtete, nickte langsam. "Also, wenn ich das so sehe, würde ich Ja sagen." Ein leichter Hauch von Ironie schwang in seinen Worten mit.

"Na toll..." Nia verschränkte die Arme und trat frustriert gegen einen Ast, der im Weg lag. Finn, der ihren Ärger bemerkte, versuchte sie aufzumuntern.

"Ich dachte, du kennst dich hier aus," sagte er, während er einen humorvollen Ton anzuschlagen versuchte. "Immerhin reist du hier nicht zum ersten Mal."

Nia drehte sich zu ihm um, und ihre Augen funkelten ärgerlich. "Na und?" Ihre Stimme war leicht beleidigt, als sie sich von ihm abwandte.

Mishu schritt voran und seufzte, während er über die Auseinandersetzung nur den Kopf schüttelte. "Wir sollten uns nicht streiten," sagte er ruhig. Er spürte die Spannung zwischen den beiden, die in der Luft lag.

"Er hat angefangen!", protestierte Nia sofort und deutete beschuldigend auf Finn. Dieser warf ihr einen leicht genervten Blick zu.

"Nein, sie!" erwiderte Finn und fühlte sich ungerecht behandelt. Mishu drehte sich zu ihnen um und hob die Hand, um weiteren Streit zu verhindern.

"Schluss jetzt!" befahl er mit fester Stimme. Die beiden schauten betreten zu Boden.

"Ja..." murmelten Finn und Nia schließlich gleichzeitig und schwiegen, während sie Mishu folgten. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie endlich die Stadt Frescora. Die Dämmerung hatte inzwischen eingesetzt, und die Stadt war in ein schummriges Licht gehüllt. Ein kalter Wind wehte durch die Straßen, und die Temperatur war spürbar gesunken.


In der Ferne leuchtete das Schild des Pokémon-Centers warm und einladend, und sie machten sich sofort dorthin auf. Drinnen war es wohlig warm, und der Geruch von warmem Essen hing in der Luft.

Nia ging auf die Theke zu und sprach die Krankenschwester an. "Schwester Joy?" Ihre Stimme war höflich, aber erschöpft. Joy, die hinter der Theke stand, drehte sich um und lächelte sie freundlich an.

"Guten Abend," sagte Joy mit ihrer vertrauten, sanften Stimme. "Kann ich euch helfen?"

"Könnten Sie sich bitte unsere Pokémon ansehen?", fragte Nia höflich. Finn, der sich seit ihrer Ankunft kaum konzentrieren konnte, schielte bereits in die Richtung, aus der der verlockende Duft kam.

"Hunger...", murmelte er leise, während er sich den Bauch hielt. Mishu stellte seine Pokébälle auf die Theke und deutete auf sie.

"Bitte sehr," sagte er, "das sind meine Pokémon."

Joy lächelte und nahm die Pokébälle entgegen. "Kein Problem," sagte sie und blickte dann zu Finn, der noch immer mit einem hungrigen Ausdruck dastand. "Hat der Junge Herr hier auch noch Pokébälle für mich?" fragte sie sanft.

Finn blinzelte verwirrt und schaute die Schwester an, als wäre er aus einem Tagtraum erwacht. "Oh, ja," sagte er und reichte ihr hastig seine Pokébälle. "Hier!"

Joy nahm sie entgegen und lächelte verständnisvoll. "Vielen Dank," sagte sie, "wenn ihr etwas zu essen möchtet, schaut doch in unserem Lokal dort drüben vorbei." Sie zeigte auf eine kleine Tür in der Ecke des Pokémon-Centers, durch die das verlockende Aroma kam.

Finns Augen leuchteten auf. "Ja!" rief er enthusiastisch und rannte sofort in die Richtung, aus der der Duft kam. Nia und Mishu sahen ihm überrascht nach.


"Finn!?" rief Nia ihm hinterher, aber er war bereits verschwunden.

Mishu schüttelte den Kopf. "Keine Manieren, der Typ...", murmelte er leise.

Nia seufzte, schüttelte leicht den Kopf und warf ihm einen wissenden Blick zu. "Wenn's ums Essen geht...", begann sie, doch Schwester Joy unterbrach sie sanft.

"Beeilt euch," sagte Joy freundlich. "Ihr habt sicher auch Hunger."

Nia nickte dankbar. "Ja, danke," antwortete sie. "Komm, Mishu." Gemeinsam folgten sie Finn ins Lokal, während dieser bereits dabei war, sich am Tresen Essen zu bestellen.


Als sie eintraten, sahen sie Finn an einem Tisch sitzen, der mit einer Auswahl an Gerichten gedeckt war. Mishu runzelte die Stirn und ging zu ihm hinüber. "Finn, schling doch nicht so," sagte er genervt und verschränkte die Arme vor der Brust.

Nia lehnte sich leicht zu Finn hinüber und flüsterte ihm leise ins Ohr. "Was sollen denn die anderen Leute von uns denken?", fragte sie tadelnd.

Finn schaute sich schnell um, als würde er plötzlich erkennen, dass sie nicht allein waren. "Entschuldigung...", murmelte er verlegen und senkte den Kopf.

Nia seufzte und schüttelte den Kopf. "Auch in dieser Sache hast du dich nicht geändert," stellte sie fest. Finn zuckte nur mit den Schultern.

"Ich liebe nun mal gutes Essen...", sagte er ohne Reue, während er sich ein weiteres Stück nahm.

Mishu, der das Essen probiert hatte, nickte zustimmend. "Das ist aber auch wirklich gut," sagte er mit vollem Mund.

Nia sah ihn entsetzt an. "Mishu...", begann sie streng, doch Finn lachte nur leise und verschluckte den letzten Bissen.

"Wer hat hier denn jetzt keine Manieren?", fragte er mit einem breiten Grinsen. "Satt! Das war gut."

Nia rollte nur die Augen und begann schließlich auch zu essen. Mishu, der sich ertappt fühlte, murmelte eine halbherzige Entschuldigung.

Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, beschloss Finn, kurz an die frische Luft zu gehen. Die Nacht war klar und ruhig, und die Sterne funkelten hell am Himmel. Ein kalter Wind wehte durch die Straßen, aber die frische Luft war eine willkommene Abwechslung.


Finn trat vor das Pokémon-Center und ließ seinen Blick über den klaren Nachthimmel schweifen. "Sieht toll aus," murmelte er und gähnte leise.

Nia folgte ihm kurz darauf nach draußen und schloss sich ihm an. Sie sah zu ihm hinüber und lächelte leicht. "So müde?", fragte sie sanft.

Finn drehte sich um und nickte. "Es war ein langer Tag," antwortete er ehrlich, während er sich die Augen rieb.

Nia blickte nach oben und betrachtete den Sternenhimmel, während sie nachdachte. "Stimmt...", sagte sie leise und verlor sich einen Moment in ihren Gedanken.


Das Geräusch der Tür, die sich hinter ihnen öffnete, riss sie beide aus ihren Gedanken. Mishu trat hinaus und zitterte leicht. "Mir ist kalt," beklagte er sich leise und verschränkte die Arme, um sich zu wärmen.

Nia drehte sich überrascht um. "Was?", fragte sie verwirrt. Finn nickte nachdenklich.

"Stimmt," sagte er, "es ist ziemlich kalt geworden."

Nia zog ihren Mantel enger um sich und grinste leicht. "Wir sind ja auch in Frescora," bemerkte sie mit einem Anflug von Stolz.

Finn lächelte schwach. "Lasst uns schlafen gehen," schlug er schließlich vor. Nia nickte zustimmend.

"Gute Idee," sagte sie und blickte sich suchend um. "Komm, Plinfa, lass uns gehen..." Doch als sie keinen Laut von ihrem Pokémon hörte, hielt sie inne. "Plinfa?" rief sie zögernd, ihre Stimme klang besorgt.

Mishu, der ihre Sorge bemerkte, sah sich ebenfalls um. "Was ist denn?", fragte er verwirrt.


Finn runzelte die Stirn. "Wo ist Pikachu?", fragte er plötzlich. "Eben saß es doch noch auf meiner Schulter..." Die Sorge in seiner Stimme war unüberhörbar.

Nia sah ihn entsetzt an. "Und Plinfa ist auch weg... es war noch nie weg." Ihre Stimme begann leicht zu zittern, als sie sich die möglichen Szenarien ausmalte.

Finn bemerkte ihren Blick und versuchte, eine Erklärung zu finden. "Ach, Plinfa geht gern mal auf Erkundungstour," sagte er beruhigend.

Nia schüttelte den Kopf. "Aber doch nicht nachts," widersprach sie, ihre Augen weiteten sich vor Besorgnis. Mishu zitterte leicht und nieste dann heftig. "Gesundheit," sagte Finn abwesend, während er den Boden absuchte. "Wir müssen sie suchen gehen."

"Aber wo?", fragte Nia verzweifelt. Finn überlegte kurz und deutete dann in eine Richtung.

"Ich würde mal sagen... in diese Richtung," sagte er und zeigte auf eine entfernte Windmühle, die von der Dunkelheit verschluckt wurde.

Nia blickte ihn entsetzt an. "Was? Zur Frosthöhle?", fragte sie ungläubig.


Mishu schaute die beiden verwirrt an. "Das klingt kalt," sagte er, als würde er es erst jetzt realisieren.

Finn nickte ernst. "Deswegen heißt sie auch Frosthöhle," erklärte er trocken.

Nia verschränkte die Arme und sah ihn skeptisch an. "Aber was wollen sie da?" fragte sie.

Finn bemerkte die Fußspuren auf dem Boden und bückte sich, um sie genauer zu betrachten. "Ich würde mal sagen... sie sind nicht allein." Ein unwohles Gefühl machte sich in seiner Brust breit.

In diesem Moment kam Schwester Joy nach draußen und sah die drei Jugendlichen mit besorgtem Blick an. "Wenn ihr hier noch länger stehen bleibt, erkältet ihr euch," warnte sie streng.

"Schwester Joy..." begann Nia mit zittriger Stimme. "Mein Plinfa ist verschwunden."

Joy blinzelte überrascht. "Was?", fragte sie, während sich auch ihre Miene verdüsterte.

Finn nickte. "Ja, mein Pikachu auch," fügte er hinzu. Mishu schloss sich ihnen an. "Sie sind wahrscheinlich zur Frosthöhle," sagte er mit zittriger Stimme. "Und nicht allein..."

Joy schlug entsetzt die Hände vors Gesicht. "Oh nein," murmelte sie. "Das werden doch wohl nicht die Diebe sein?" Ihre Stimme klang panisch.

Nia runzelte die Stirn. "Diebe?", fragte sie scharf.

Joy nickte ernst. "Ja, seit einigen Tagen verschwinden nachts immer wieder Pokémon," erklärte sie. "Und am nächsten Morgen finden die Trainer nur einen Zettel mit einer Fratze darauf..."


Nias Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. "Na, die können was erleben," knurrte sie wütend.

Finn nickte entschlossen. "Na los! Wir suchen sie," sagte er. Doch Mishu, der noch immer fror, konnte nicht anders, als erneut zu niesen. Joy bemerkte seine Erschöpfung und runzelte die Stirn.

"Kommt mit rein," sagte sie besorgt. "Ich habe noch warme Sachen da, die euch passen müssten." Die drei Jugendlichen nickten dankbar und folgten Schwester Joy zurück ins Pokémon-Center. Nachdem sie sich angezogen hatten, machten sie sich auf den Weg zur Frosthöhle.

Ob ihre Pokémon wirklich gestohlen wurden und was sie in der Frosthöhle erwartete, würde sich bald herausstellen.